Der Kanton Graubünden unterstützt die Gemeinden und Regionen im Aufbau von Netzwerken, in der Umsetzung von Projekten, mit fachlicher Beratung und Begleitung sowie mit Projektbeiträgen.
 

Von den alten, kranken und sterbenden Menschen lernen

19.11.2013

Von den alten, kranken und sterbenden Menschen lernen

Wir haben dem Leben mehr Jahre gegeben, jetzt müssen wir den Jahren mehr Leben geben.

Ursula Lehr

Mein Anliegen ist der Aufbau einer freiwilligen Lebens- und Sterbebegleitung in der Region Surselva und darüber hinaus, in Zusammenarbeit mit Tecum Chur.

In meiner fast 40jährigen Pflegetätigkeit bei alten, kranken und sterbenden Menschen habe ich sehr vieles gelernt, bei ihnen bin ich in die "Lebensschulung des Alters" gegangen.

Während 20 Jahren arbeitete ich in Salzburg in einem Pflegeheim der Caritas. Was mich so beeindruckt hat an diesen hochbetagten Menschen in Österreich war, dass sie trotz zwei Weltkriegen nicht am Leben zerbrochen sind. Sie haben wieder begonnen aufzubauen, wo nichts mehr vorhanden war. Es ist eine Botschaft an die dritte Generation, an uns, mutig in die Zukunft zu gehen, an die innere Kraft zu glauben, die uns Halt und Kraft gibt, jeden neuen Tag zu bestehen.

Jetzt bin ich 62 Jahre alt, bin Leiterin vom Haus der Begegnung (Bildung und Spiritualität) und erfülle diese Aufgabe mit viel Freude und Energie. Ich spüre, dass ich langsamer geworden bin, etwas mehr Zeit brauche, um gewisse Arbeiten zu erfüllen.  Ob meine Mitschwestern und Mitarbeitenden das  auch merken? Da bin ich nicht so sicher. Wir im Kloster haben  einen langen Tag, der gefüllt ist mit Gebetszeiten, Arbeitszeiten und  Gemeinschaftsleben. Also auch Zeiten, die uns stärken, um uns den  Zeichen der Zeit und den Herausforderungen unserer Welt zu stellen.

In meinem Kloster in Ilanz bin ich mit 120 Schwestern gemeinsam auf dem Weg des  Älterwerdens. Die meisten von uns sind schon im Pensionsalter  und doch in vielen Aufgaben eingespannt, so lange das möglich ist. Die älteste Schwester ist über 100 Jahre alt. So bin ich täglich mit vielen, ja sehr vielen älteren Menschen unter einem Dach. Ich lerne viel von ihnen. Durch ihr betendes Da-Sein fliesst viel Segen in die Gemeinschaft und in die Welt, die uns umgibt.

Ich bin überzeugt, dass unsere Lebens- und Glaubenserfahrungen Quellen und Ressourcen für das eigene Alter sind. Hochbetagte Menschen haben im Leben Freude und Kraft  erfahren, sie haben Krisen bewältigt und sind gestärkt daraus hervorgegangen. Jetzt gilt es, den letzten Lebensabschnitt in Würde zu beschliessen

Ich empfinde grosse Achtung  und Wertschätzung für die vielen Familienangehörigen, die ihre kranken, behinderten und sterbenden Menschen zu Hause pflegen und begleiten. In der Schweiz sind das etwa 85% der Betagten.

Meine Sorge für die Zukunft ist es,  dem politischen Druck standzuhalten, der die Kosten scheut für eine ausreichende und würdige Begleitung und Pflege betagter und unheilbar kranker Menschen. Sie dürfen sich unter diesem Druck nicht gezwungen fühlen, ihrem Leben selber ein Ende zu setzen. Es ist die Aufgabe der Politik, eine Palliativpflege zu ermöglichen, die ein Leben in Würde ermöglicht bis zum letzten  Augenblick.

Im Kanton Graubünden sind wir gut auf dem Weg, mit dem Aufbau und Ausbau der Palliativpflege auf den Palliativstationen in Krankenhäusern, in Alters- und Pflegeheimen, in der freiwilligen Begleitung von unheilbar Kranken zu Hause und dies alles in der Zusammenarbeit mit Spitex und Brückenteam. Und doch  ist noch viel zu tun um "den Jahren mehr Leben zu geben"  bis zum letzten Augenblick.

Sr. Madlen Büttler, Dominikanerin im Kloster Ilanz. Geboren 1951 in Mümliswil SO. Klostereintritt 1974 in Ilanz. Ausbildungen: Pflegefachfrau, Dipl. Erwachsenenbilderin, Krankenseelsorgerin und geistliche Begleitung. Ab 1976 verschiedene Einsätze auf der Pflegestation im Kloster Ilanz, im Alters-Pflegeheim Cumbel,  20 Jahre im Caritas Pflegeheim Salzburg. 1992  Mitbegründerin der Hospiz-Bewegung Salzburg. Seit 2007 Leiterin vom Haus der Begegnung im Kloster Ilanz. Leiterin der Lehrgänge  "Begleitung in der letzten Lebensphase" ( im Haus der Begegnung). Vorstandsmitglied Palliative Care Graubünden.

 

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